In Venedig erlebt man vieles, doch der gestrige Morgen am Canal Grande sorgt selbst für venezianische Verhältnisse für ungläubige Blicke. Direkt unter der Rialto-Brücke steigt eine junge Frau auf ein Lieferboot der Firma Brussa Trasporti, startet den Motor und fährt los, als hätte sie jahrelang im Hafen gearbeitet. Doch schon nach wenigen Metern zeigt sich das Gegenteil. Die Frau wirkt fahrig, vielleicht auch benebelt, und man spürt sofort, dass sie die Kontrolle über das Mototopo nicht beherrscht.
Boot kracht in die Rialtobrücke
Das Boot schaukelt, ruckt, schlingert. Touristen greifen ans Geländer der Brücke und zücken die Handys, weil sie kaum glauben, was sie sehen. Die Frau hält unbeirrt auf die Kurve in Richtung San Marco zu, doch sie manövriert wie jemand, der ein Auto erst am selben Tag entdeckt hat. Sekunden später kracht die Barkasse gegen das historische Marmorgeländer am Fondaco dei Tedeschi und die Rialto-Brücke. Die Wucht verbiegt die Steinpfosten, einige bröckeln ab und stürzen ins Wasser. Pakete treiben zwischen den Wellen, Rufe hallen über den Kanal, und für einen Moment friert die Szene ein.
Dann stürmen Polizisten heran. Sie greifen nach der jungen Frau, die völlig verwirrt wirkt und kaum versteht, was gerade passiert. Der Besitzer des Boots, Alvise Brussa, erreicht kurze Zeit später den Ort des Geschehens. Er wirkt erschüttert, aber auch erleichtert. „Gott sei Dank blieb jeder unverletzt“, sagt er sichtlich bewegt. Sein Boot steht zwar schief im Wasser, aber die Schäden lassen sich reparieren. Das historische Geländer jedoch bereitet ihm mehr Sorgen.
Täterin ist erst 20 Jahre alt
Während Techniker des städtischen Dienstes den Bereich sichern, zeichnet sich das Bild der Unfallfahrerin klarer ab. Die Frau ist erst zwanzig Jahre alt, stammt aus Padua und gerät seit Jahren mit den Behörden aneinander. Sie lebt zwischen Mestre, Marghera und Venedig, schlägt sich mit Diebstählen durch den Alltag und ignoriert praktisch jedes Verbot. Ein Daspo* hält sie eigentlich von der Lagunenstadt fern, doch sie taucht immer wieder auf.
An diesem Morgen glaubte sie offenbar, ein leichtes Ziel gefunden zu haben. Laut Ermittlern wollte sie das Boot in eine ruhige Ecke bringen, um die Ladung zu durchsuchen und alles mitzunehmen, was ihr nützlich erschien. Doch ihr Plan scheiterte schneller, als der Motor warm lief. Zwei Polizisten stoppten sie und führten sie ab.
Jetzt wartet sie auf die Anhörung vor Gericht. Die Behörden klären die Schäden, und Venedig hat eine weitere Geschichte, die man kaum erfinden könnte – eine schräge Episode zwischen Touristen, Lieferbooten und einer jungen Frau, die den Canal Grande für ein Fluchtabenteuer hielt.
*Daspo
Ein Daspo stammt aus dem italienischen Rechtssystem. Der Begriff bedeutet „Divieto di Accedere alle manifestazioni SPOrtive“ – ursprünglich ein Stadionverbot für gewalttätige Fußballfans.
Inzwischen nutzt Italien den Begriff aber breiter. Neben Sportveranstaltungen betrifft er heute auch bestimmte Stadtbereiche oder sensiblen Zonen. Behörden verhängen ihn gegen Personen, die regelmäßig für Ärger sorgen, Straftaten begehen oder die öffentliche Ordnung stören.
Ein Daspo bedeutet also:
- Die betroffene Person darf einen bestimmten Ort oder Bereich für einen festgelegten Zeitraum nicht betreten.
- Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Strafen oder sogar Haft.
- Die Polizei kontrolliert solche Verbote streng, besonders in Städten wie Venedig, wo man sensible Zonen schützen will.
Kurz gesagt:
Ein Daspo ist ein polizeiliches Aufenthaltsverbot für bestimmte Gebiete oder Ereignisse.


